Finnland –

mit zwei Piper über nordische Wälder, Seen und Inseln

 

 

 

Seit einer Woche lassen wir keinen Wetterbericht im Fernsehen aus, man sieht uns über Ausdrucke von Satelitenwetterkarten gebeugt, üben uns in den Abkürzungen von Metar und TAF - alles Indizien, die auf einen bevorstehenden Fliegerurlaub hindeuten. Unser Ziel ist Skandinavien. Dabei kommen in jedem Flug-Reisebericht, den wir über die nordischen Länder lesen, zwei Wörter überdurchschnittlich häufig vor, die sich weder bei Urlauber noch insbesondere bei Piloten sonderlicher Beliebtheit erfreuen: Regen und Tiefdruckgebiete. Und so nehmen wir unsere selbstsichere Formulierung unseres Reiseziels „Unser Ziel ist Skandinavien“ zurück und formulieren bescheidener: „Wir würden gerne eine Nordlandreise machen über Südschweden nach Finnland.“ Petersburg als möglichen krönenden Wendepunkt haben wir gestrichen, nachdem eine Anfrage bei AIS bezüglich notwendiger Visa uns Einblick in die Kosten gewährte: ca. 200 US-Dollar pro Person. Das war uns zuviel. Während wir also weiter Wetterkarten studierten, gebannt die Entstehung und Zugrichtung von Tiefdruckgebieten über unserem Zielgebiet verfolgten, plagten uns allmählich deutlich Zweifel ob der Richtigkeit unseres Ziels, angesichts der ausgeprägten Schönwetterzonen über den klassischen Urlaubszielen wie Griechenland, Türkei, Spanien. Aber warum auch immer: Es sollte Skandinavien sein. Zwei Tage vorm geplanten Abflugtermin stellen sich tatsächlich- wie gebucht- zwei Hochs ein.

 

Es ist Freitag, der 28. Mai. Und es geht tatsächlich los. Zwei PA 28 starten in Straubing als Formation. Zwar wird es nicht gerade das schönste VFR-Wetter, um Hof fliegen wir bereits mit miserablen Sichten um 3 km, bei Erfurt geht es durch einen kräftigen Regenschauer. Aber je weiter wir nach Norden kommen, desto mehr klart es auf. Die Landung in Lübeck erfolgt bei CAVOK. Für unsere erste Etappe gewannen wir den Wettlauf mit dem schlechten Wetter. Doch unsere Siegerlaune wird uns am nächsten Tag durch die Flugwetterberatung in Hamburg versaut. Es kommt zu einem wetterbedingten Zwangsaufenthalt in Lübeck. Wir nutzen die Zeit zur Besichtigung Lübecks und einen Ausflug nach Travemünde. Eine frische Ostsee-Brise (5 Bft bei 14°) will uns wohl abhärten für unseren weiteren Aufenthalt in nördlicheren Gefilden.

 

Südschweden – Land der Wälder und Seen

Am Sonntag geht’s weiter. Bei Abflug in Lübeck ist zwar die Wolkenuntergrenze bei 1000 ft, über dem Meer kurz vor Malmö erwischt uns noch ein kleiner Regenschauer, doch dann zeigt sich die südschwedische Landschaft von ihrer schönsten Seite: über uns blauer Himmel, unter uns tiefblaue Seen und dunkelgrüne Wälder. Die Sichten fast bis zum Anschlag lassen die Küstenlinie ahnen, die sich mit einer Vielzahl von Inseln langsam ins Meer auflöst. Kalmar war unser erstes Ziel in Schweden. Beim Einflug nach Schweden gilt nach Bottlang folgendes zu beachten. Kategorie A Flugplätze wie z.B. Malmö oder Stockholm haben 24 h Zoll. Kalmar gehörte der Kategorie B an mit im Bottlang veröffentlichten Öffnungszeiten. Diese sind meist Wochentage, und so mußten wir vor Abflug telefonisch klären, ob wir auch heute willkommen sind. Eine nette Dame vom Airport in Kalmar versicherte uns, daß mit dem Flugplan alles erledigt sei. Während des Fluges wurden wir durch FIS oder Radar begleitet und erhielten problemlos alle Freigaben zum Durchflug etlicher Kontrollzonen. Kurz vor Kalmar entließ uns Ronneby Radar mit dem Hinweis, daß Kalmar Tower erst um 15:00 Uhr öffnet. Oh Gott, und es war erst 14:30 Uhr. Also ein Rundflug über die Kalmar vorgelagerte Insel Öland. Schöne Strände waren erkennbar, aber im Inneren wirkte vor allem der westliche Teil der Insel öd und braun. Kurz vor 15:00 Uhr meldete sich dann der Tower Kalmar mit „Germans, the tower is open now“. Ein wunderbarer Flug, nette und hilfsbereite Controller, unbürokratische Abfertigung, das waren unsere ersten Eindrücke vom Fliegen in Schweden. Die weekly card, die alle Gebühren vom Landen bis zum Abstellen umfaßte (Mai 98 350 skr) sollten wir erst beim Abflug erstehen.

 

Kalmar erwies sich als ein reizendes Städtchen, das durchaus Sehenswertes zu bieten hatte: das wahrscheinlich größte Renaissance-Wasserschloß Schwedens, eine Altstadt (Gamla Stan) mit idyllischen Holzhäuschen wie aus Astrid Lindgrens Erzählungen, die Halbinsel Stensö, die zu Strandspaziergängen, Baden, Fischen oder nur zum Sonnenbaden einlädt, Smälands Wälder hinter uns und Öland mit seinen Stränden vor uns. In Kalmar ließen sich also beschauliche Urlaubstage verleben, wäre da nicht unser fliegerisches Ziel. Täglich neue Hoffnung auf Weiterflug, täglich erneute Enttäuschung. Hier kommt zum ersten Mal unser PC-met so richtig zum Einsatz. Gleich nach dem Aufwachen, also noch im Bett liegend, befragten wir mittels Handy und Laptop unser Wetterorakel in Offenbach. Per Datenübertragung holten wir uns die neuesten Metars, TAF’s und Wetterkarten in unser Hotelzimmer. Als Ungläubige traute ich dem digitalen Wetterzauber nicht, und rief lieber telefonisch meinen „Freund“ von der Hamburger Flugwetterberatung an. Zwar erhielt ich dort auch kein besseres Wetter, aber seine oft vertröstenden Aussichten auf den Rest der Woche taten mir psychologisch gut. Dabei hatten wir in Kalmar schönste Sommertage, aber unser nächstes Flugziel Stockholm lag unter dem Einfluß eines Tiefdruckgebietes bei einer Wolkenuntergrenze von teilweise 300 ft und eingebetteten Gewittern.

 

Stockholm – die Schöne am Wasser

Endlich, nach drei Tagen erhielten wir vom Wetter grünes Licht für unseren Weiterflug nach Stockholm -Bromma. Der Start in Kalmar erfolgt fast unter weißblauem bayerischen Himmel, doch bald schon nähern wir uns den Ausläufern des Tiefs. So zieht bei wolkenverhangenem Himmel die Schärenküste Südschwedens unter uns hinweg. Winzige Inselchen, teils bewaldetes, teils nur aus weißen oder rötlichen Felsplatten bestehend, liegen verstreut in bleigrauen Wasser. Vereinzelte Sonnenstrahlen verwandeln die Landschaft unter uns in eine glitzernde Wasserwelt. Die meisten Inselchen sind unbesiedelt, doch auf den größeren sind bei nur 1500 ft Flughöhe die kleinen, meist roten Holzhäuschen gut erkennbar. In den Buchten liegen Fischerboote, oft auch kleine Jachthäfen mit Segelbooten. Durch gelegentliche Regenschauer werden unsere Sichten getrübt, die Wolkendecke bleibt jedoch bei den versprochenen zwei- bis dreitausend Fuß, so daß sich unsere Flughöhe gut halten läßt. Bei kräftigem Rückenwind erreichen wir nach nur 90 Minuten Stockholm-Bromma. Der Airport liegt mitten in der Stadt, die wiederum fast mitten im Wasser liegt. Die Stadt wurde auf 14! Inseln errichtet. Die Pflichtmeldepunkte waren jedoch nach anfänglichen Irrungen gut auszumachen. Keine Landegebühren, keine Abstellgebühren (da durch die weekly card abgedeckt), keine umständlichen Prozeduren. Raus aus dem Flieger und rein ins Taxi. Ohne Hotel-Reservierung - und wer kann dies schon bei einer Fliegerreise - zeigt sich Stockholm von seiner spröden Seite. Doch die Hotelzentrale im Bahnhof hilft schnell und freundlich. Und schon bald lockt Stockholm zum Bummeln und Verweilen in der Altstadt mit seinen vielen kunsthandwerklichen Läden, Galerien und Antiquitätenläden, prunkvollen Häuserfassaden, stilvollen Plätzen. Prachtvolle Gebäude wechseln mit grünen Oasen, Wasser und Brücken. Stockholm ist so schön, daß wir einen Tag länger als geplant hier verbringen. Wir haben keine Eile mehr. Aufgrund unseres langen Aufenthalts in Kalmar haben wir unser Reiseprogramm geändert: wir streichen Helsinki und Lappeenranta.

 

Äland – ein Schärengarten mit Tausenden von Inseln

Doch Finnland haben wir nicht ganz aufgegeben und so wählen wir die Äland-Inseln, eine Inselwelt mit 6500 Inseln am Südende des bottnischen Meerbusen zwischen Schweden und dem finnischen Festland. Nach nur einer knappen Flugstunde landen wir in Mariehamn, der Inselhauptstadt. Der Flug war prächtigst: Sonnenschein, glitzernd-blaues Meer, verstreute Inselchen. Hier wollen wir die nächsten drei Tage bleiben, es ist unser gesetzter Wendepunkt, von dem wir die Rückreise antreten wollen. Und so erleben wir anstelle der finnischen Seenplatte die finnische Schärenwelt. Ein Mietwagen läßt sich bereits vom Flugplatz aus ordern und auch eine Hütte am Meer ist schnell gefunden. Bereits die erste Erkundungstour in der Nähe unserer Hütte in Käringssundby zeigt, daß wir eine gute Wahl getroffen haben. Rote vom Meer flach geschliffene Felsen prägen vielfach den Strand, dichte Wälder mit Laubbäumen, vor allem Birken drängen sich bis an die Küste, moosüberwucherte Steinplatten mit windzerzausten, knorrigen Föhren bestimmen das Landschaftsbild. Weitere Touren zeigten uns, daß wir eine gute Jahreszeit gewählt haben. Frühlingsflora breitet sich überall aus. Zwischen den Steine blühen Mauerpfefferarten, Steinbrech und uns vieles Unbekanntes. Auf den Wiesen unter Birken breiten sich gelbe Teppiche mit Schlüsselblumen aus und ein sogenannten Naturstigen führt uns in eine bis dahin noch nie erlebte Blumenwelt. Wir wandeln durch Blumenwiesen wie aus einer anderen Zeit, fast wie aus Kindermärchen wiedererstanden, die Existenz von Elfen und Blumenfeen würde uns hier fast nicht überraschen. Es ist schwer, nicht überschwenglicher Begeisterung zu verfallen. Es machte Spaß, die mit Brücken und Autofähren verbundenen Inseln zu entdecken, Wasser, Wälder, Steine das sind die wesentlichen Elemente dieser Inselwelt. Doch es geht auch vorbei an fruchtbaren Äckern und Apfelplantagen, aus den ein recht wohlschmeckender Apfelcider gewonnen wird. Sollte es einen Schatten geben über diesen Urlaubstagen, so müßten bei kleinlicher Betrachtung die Temperaturen erwähnt werden. Bei ca. 15° sind dies nicht gerade Inseln für Sonnenanbeter und Strand- und Badefreaks. Dafür blieben wir jedoch von der berühmt-berüchtigten Mückenplage verschont.

 

Rückflug

Viel zu früh rückte unser vorgesehener Rückflugtermin näher und fast bedauerten wir es, daß auch das Wetter mitzuspielen schien. Zwar zog uns von Malmö ein erneutes Tief entgegen, doch die Wolkenuntergrenzen schienen ein Durchkommen möglich zu machen. Wir wollten in Kalmar zum Tanken zwischenlanden und dann wenn möglich, uns bis Malmö durchhanteln. Bereits kurz nach dem Start in Mariehamn kamen uns Bedenken. Ein ordentlicher Gegenwind ließ unsere Groundspeed auf unter 60 kt sinken, sollte der Wind uns weiterhin so stark auf der Nase stehen, würde der Sprit bei unserer zweiten Piper knapp werden. Risiken solcher Art wollten wir auf jeden Fall vermeiden. Und so änderten wir per Funk unseren Flugplan. Neues Ziel: Norrköping. Nicht nur der Wind war heute gegen uns, kurz vor Norrköping spülte ein kräftiger Regenschauer uns regelrecht vom Himmel. Das waren Argumente genug, um uns vom Weiterfliegen abzubringen. Der restliche Heimflug verlief plangemäß. Einen Tag später landeten wir in Malmö zwecks Auftanken und starteten weiter durch nach Hamburg. Nach 14 Tagen VFR reizte meinen Mann ein simulated NDB -DME Approach. Auf die überraschende Frage des Controllers, ob wir den Approach als Formation oder getrennt durchführen wollen, antworteten wir spontan als Formation. Die zweite VFR-Piper sollte uns also auch jetzt - wie schon während der letzten 15 Flugstunden - in Formation folgen. Wieder mußten wir in Hamburg einen regenbedingten Zwangsaufenthalt hinnehmen, bevor wir unsere letzte Etappe nach Straubing anpackten. Hier platzten wir mitten in unser jährlich stattfindendes Flugplatzfest, so daß wir -um die gerade durchgeführten Kunstflugeinlagen nicht zu unterbrechen- unsere Finnland-Flugreise mit einigen „Ehrenrunden“ um Straubing abschlossen.

 

 

© Andrea Kampf 1998